Wir benötigen Fachkräfte – Jetzt!

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit diesem Zwischenruf möchten wir, der Evangelischer Erziehungsverband Bayern (eev) und der Lan-desverband katholischer Dienste und Einrichtungen der Erziehungshilfe e.V. (LVkE), deutlich auf die Aus-wirkungen des aktuellen Fachkräftemangels hinweisen: Die Gewährleistung unseres Versorgungsauftrages nach §§2 SGB VIII ff. und damit verbunden der Kinderschutz ist in Gefahr! 

Ausgangslage

Der Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe ist gravierend. Der Deutsche Städtetag prognostiziert bis 2030 230.000 offene Stellen alleine in der Kindertages- und Ganztagsbetreuung. Dies hat enorme Auswirkungen auf die Hilfen zur Erziehung.

Es ist absolut dringend erforderlich, eine Gesamtstrategie aller beteiligten Akteure und ein Ineinandergreifen verschiedener Maßnahmen für alle Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe in Bayern zu entwickeln - auch für die Hilfen zur Erziehung. Und dies sehr zeitnah, um die sich abzeichnende prekäre Versorgungsstruktur in der Kinder- und Jugendhilfe abzuwenden, die Qualität der Arbeit sicherzustellen und zu halten und einem weiteren Abwandern von Fachkräften aus diesem Arbeitsfeld vorzubeugen. Dies betrifft sowohl die öffentliche, als auch die freie Jugendhilfe in Bayern.
Oberste Prämissen für uns sind:

  • Gewährleistung des Kinderschutzes und Sicherstellung der Umsetzung individueller Rechtsansprüche von Kindern, Jugendlichen und Ihren Familien im Sinne des geltenden Gesetzes durch eine adäquate erzieherische und therapeutische Versorgung - Kinder, Jugendliche und ihre Familien stehen im Mittelpunkt.

Denn: Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gefahren für ihr Wohl ist Ziel und gesetzlicher Auf-trag der Kinder- und Jugendhilfe!

Eine wesentliche Voraussetzung dazu ist die Sicherstellung von Arbeitsbedingungen, in denen die Mitarbeitenden sowohl in der öffentlichen, als auch in der freien Jugendhilfe lange arbeiten können und gesund bleiben.

Aktuell ist die Situation gesamtgesellschaftlich die, dass auf Grund des derzeitigen Fachkräftemangels die bislang bestehenden Versorgungsstrukturen für Kinder, Jugendliche und ihre Familien gefährdet sind. Eine im LVkE getätigte Umfrage im Februar 2023 ergab, dass im stationären Bereich der Hilfen zur Erziehung ca. 179 Stellen, im teilstationären Bereich ca. 43 Stellen, im ambulanten Bereich ca. 40 Stellen und im Bereich der Erziehungsberatungsstellen ca. 17 Stellen nicht besetzt waren/sind. Für den eev sind ähnliche Zahlen zu erwarten.
Diese Situation hat Auswirkungen auf den Versorgungauftrag und somit auf den Kinderschutz.

Auf Grundlage der sich prospektiv abzeichnenden demographischen Verschärfung des Fachkräftemangels bis 2030 in der Kinder- und Jugendhilfe und der schrittweisen Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz im Grundschulalter ab 2026, wurde bereits die Forderung nach einer bundesweiten Handlungsstrategie in unterschiedlichen Zwischenrufen angemahnt.

Unsere Forderung in der Kinder- und Jugendhilfe ist:
Jetzt! die Versorgungsstruktur hier in Bayern zu sichern, sowohl kurzfristig als auch langfristig! 

Die besorgniserregende Lage erfordert dringend ein sowohl kurzfristiges als auch langfristiges Gegen-steuern.

Um dies zu erreichen werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

  • Erweiterung der Fachkraftliste anerkannter Qualifikationen und Ausbildungen
  • Möglichkeiten zur Beschäftigung von Mitarbeitenden mit anderen beruflichen Qualifikationen
  • Anschlussfähige und übergreifende Quereinsteigerprogramme für alle Bereiche der Jugendhilfe (KiTa, HzE, Behindertenhilfe)
  • Einsatz von Nicht-Fachkräften (Personen ohne anerkannten pädagogischen Abschluss)
  • Möglichkeiten zur Beschäftigung von Studierenden im Dualen Studium und Klärung der Refinanzierung
  • Möglichkeit zur Beschäftigung von Auszubildenden und (Nach-)Qualifizierung von Quereinstei-ger/-innen bei gleichzeitiger, schrittweiser Anerkennung als Fachkraft
  • Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse
  • Gewinnung ausländischer Mitarbeiter/-innen
  • Ausbau der bisherigen Ausbildungskapazitäten
  • Aufbau von dualen Studienplätzen an staatlichen Hochschulen
  • Ausbau von Teilzeitstudiengängen für Bachelor Soziale Arbeit

Wir benötigen ab sofort eine Überprüfung und Anpassung der bisherigen Fachkräftekriterien. In diesem Zusammenhang möchten wir darauf verweisen, dass es bereits in der Flüchtlingskrise 2015/2016 gute Lösungsansätze zu zeitnahen Qualifizierungen von Nicht-Fachkräften gab. Diese gilt es weiterzuentwckeln.

Nur so können unsere Einrichtungen und Dienste auf einer stabilen Grundlage ihre Konzeptionen und inhaltlichen Ausrichtungen weiterentwickeln - zum Wohle der uns anvertrauten Menschen und zum Er-halt der Arbeitskraft der Mitarbeitenden in der Kinder- und Jugendhilfe.

Wir, der Evangelische Erziehungsverband in Bayern (eev) und der Landesverband katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen in Bayern e. V. (LVkE), sind gerne bereit, unsere Expertise ein-zubringen und stehen Ihnen für Gespräche gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen 

Michael Eibl     Vorsitzender LVkE
Stefan Reither   Vorsitzender eev